Non Nobis Ausgabe 69
OBR. THOMAS SCHMÄDICKE TH AS SCH ÄDICKE
Das Christentum und die Geschichte der Kreuzzüge Nach über 400 Jahren Unterdrückung, Vertreibung und Verfolgung setzte sich das Christentum mit den Kreuzzügen zur Wehr Liebe Ordensbrüder, anlässlich unseres diesjährigen 55-jährigen Jubiläums in Be- zug auf die Neugründung unseres Ordens im Jahr 1964 als ORDO MILITIAE CRUCIS TEMPLI,Tempelherren-Orden, Deutsches Priorat e. V. erlaube ich mir, euch auf leider weitverbreitete Vorurteile, Vorwürfe und Anfeindungen aufmerksam zu machen.
Meiner Auffassung nach basieren diese auf falschen Annahmen, denen ich mich als Angehöriger des Tem- pelherren-Ordens bereits mehrfach ausgesetzt sah. Ich kann mir vorstel- len, dass nicht nur ich diesbezüglich von entsprechend unerfreulichen Erlebnissen berichten kann. Aufgrund der Vorkommnisse habe ich es mir erlaubt, mich mit der Thematik etwas zu beschäftigen. Anders als meine beiden sehr geschätzten Ordensbrüder Prof. Dr. Helmut Grieser und mein Komtur Dr. Manfred Rüthlein bin ich kein promovierter Historiker. Nicht zuletzt deshalb ersuche ich um eine nachsichtige Bewertung meiner Dar- stellungen und Schlussfolgerungen der geschichtlichen Ereignisse, die ursächlich für die Kreuzzüge sind und somit nicht zuletzt auch zur Grün- dung unseres Ordens im Jahr 1119 geführt haben. In den vergangenen Jahren war ich mehrfach der Situation ausgesetzt, dass mir als Angehöriger unseres Ordens vermeintliche Gräueltaten von christlichen Kreuzzugsteil- nehmern vorgeworfen wurden und ich mich dafür rechtfertigen sollte. Zudem wurden etwaige Handlungen von Kreuzfahrern beziehungsweise Kreuzrittern im Mittelalter teilweise als eine späte Erwiderung und Recht- fertigung für islamistische Terroran- schläge und für die Ausbreitung des Islams heutzutage in Europa ange- führt. Frei nach der Devise: „Wenn
die blutrünstigen Christen die fried- lichen und fortschrittlichen Muslime in ihrer angestammten Heimat nicht überfallen hätten, dann hätten wir heutzutage auch keine Probleme mit dem Islam vor unserer Haustür.“ Auf- grund dieser Argumentation habe ich mir nüchtern die Frage gestellt: Wer waren objektiv gesehen die Angreifer und somit die Täter, und wer waren die Verteidiger beziehungsweise wer war jahrhundertelang der Aggressor, und wer waren die Opfer? Um diese Fragen zu beantworten, habe ich mich auf die Suche nach nüchternen Jah- reszahlen und geschichtlich verbürg- ten Ereignissen gemacht und daraus meine Schlussfolgerungen gezogen: Als Mohammed, der nach islami- schem Religionsverständnis als Prophet und Gesandter Allahs ange- sehen und verehrt wird, nach eigenem Bekunden um das Jahr 610 sein erstes Offenbarungserlebnis, das in den nächsten Jahrzehnten die Grundlage einer neuen Religion, des Islam, wer- den sollte, auf dem in der Nähe von Mekka gelegenem Berg Hira hatte, da existierte unsere Religion das Chris- tentum bereits seit über sechshundert Jahren. Jerusalem, die heilige Stadt der Christen und Juden und später auch der Muslime, befand sich seit dem Jahr 629 unter der Herrschaft des By- zantinischen Reichs. Der oströmische Kaiser Herakleios hatte Jerusalem
von den persischen Sassaniden zurückerobert. Zu diesem Zeitpunkt wurde Jerusalem mehrheitlich von Juden und Christen bewohnt. Die Eroberungsfeldzüge der mus- limischen Araber und somit die gewaltsame Ausbreitung des Islams als Religion begannen, kurz nachdem im Jahr 632 ihr Prophet und Feldherr Mohammed in Medina gestorben war. Den Angriffen der Muslime waren zuerst das Byzantinische beziehungs- weise Oströmische Reich ausgesetzt. Im Jahr 636 gingen Palästina und Syrien an die muslimischen Erobe- rer verloren. Ein Jahr später, also im Jahr 637, wurde Jerusalem nach einer sechsmonatigen Belagerung eingenommen. Die byzantinischen Verteidiger hatten schließlich kapi- tuliert. Die heilige Stadt der Juden und Christen war somit erstmals in muslimischer Hand. In der Folge der Eroberung wurden Christen durch die neuen muslimischen Herrscher aus der Stadt vertrieben, getötet oder mussten sich als kleinstes Übel damit zufrieden geben, fortan nur noch Bürger zweiter Klasse in ihrer angestammten Heimat zu sein, da sie aufgrund ihres christlichen Glaubens unter der Herrschaft des Islams eine Sondersteuer zu entrichten hatten und somit eindeutig diskriminiert wurden. Aufgrund dieser historisch belegten Ereignisse kann man feststellen, dass nicht etwa christliche Heerführer eine Stadt mit vorwiegend muslimischer
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Ausgabe Dezember | 2019
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