Non Nobis Ausgabe 69

DR. EDMUND SAWALL

Vom Wesen des ORDO MILITIAE CRUCIS TEMPLI

I. Teil: Der Orden und seine Regel Jede Gemeinschaft bedarf einer Ordnung, um zu funktionieren. Ge- meinsame Ziele, Aufgabenstellungen und deren Durchführung können nur realisiert werden, wenn für die dabei Mitwirkenden Regeln gesetzt sind. Diese unterscheiden sich je nach Art, Form und Selbstverständnis einer Organisation. Das heißt, Vereine für Unterhaltung, Sport, Freizeitgestal- tung usw. oder solche mit gesell- schaftspolitischen Zielen erfordern unterschiedliche Regeln. Fehlen die Regeln, herrscht Desorganisation, Orientierungslosigkeit und mangel- hafte Identifikation der Mitglieder mit Ihrer Gemeinschaft. Das Ordensverständnis Dies gilt besonders für einen Orden, dessen Selbstverständnis auf geist- lichen und moralischen Grundlagen ruht. Die Ordensgeschichte macht deutlich, daß man von einem Orden immer so etwas wie eine verschwo- rene Gemeinschaft zur Erreichung bestimmter Ziele erwartet. Der OMCT wurde von Beginn an als ein Orden konzipiert. Sein Selbstver- ständnis ruht auf drei Säulen: Erstens: Das Bekenntnis zum „Chris- tentum als bestimmende Rahmenord- nung“ für unser irdisches Sein. Zweitens: Das Bekenntnis zur „Gemeinschaft unseres Volkes als Kulturgemeinschaft“. Drittens: Das Bekenntnis zu „ritterli- chen Tugenden und einer konservati- ven Moral“. Demgemäß wurden die Ordensregeln des OMCT in zwei fundamentale Artikel gegliedert. Artikel 1: Vom Selbstverständnis des Ordens und Artikel 2: Von den Pflich- ten des Ordensbruders. Jeder Artikel

hat zwei Kapitel, die gleich lauten. Das jeweilige Kapitel 1 lautet: „Vom Bekenntnis“, und das jeweilige Kapi- tel 2 lautet: „Zur Verpflichtung“. Das Ganze wird eingeleitet und getragen von einer Präambel mit folgendem Wortlaut: „In der Sorge um den Zerfall der in Jahrhunderten gewachsenen Werte des christlichen Abendlandes und im Streben nach den ritterlichen Tugen- den des historischen Templerordens, im Versuch eigener geistiger Vervoll- kommnung und dem Ziel, Antworten auf brennende Fragen unserer Zeit an unsere Gesellschaft zu geben, hat sich der ORDO MILITIAE CRU- CIS TEMPLI, Tempelherren-Orden (OMCT) – Deutsches Priorat e. V. gegründet.“ Diese Präambel setzt den verbindli- chen Rahmen für die Ordensregeln und bildet somit das Fundament für das Grundgesetz unseres Ordens. Bevor wir uns in späteren Folgen mit den einzelnen Festlegungen in der Ordensregel auseinandersetzen, müssen wir uns die Frage stellen, ob uns Ordensbrüdern mit dem Gelöbnis im Rezeptionsgottesdienst die volle Tragweite unserer damit vor Gott und dem Orden irreversiblen Entschei- dung bewußt ist. Ein Erlebnis möge diese Frage etwas illustrieren. Als wir nach dem Rezeptionsgottes- dienst während des Generalkapitels 1991 in Braunschweig bei herrlichem Wetter zu Fuß zum Hotel zurückkehr- ten, ging ich in Begleitung eines neu rezipierten Ordensbruders – übrigens eines nicht mehr ganz jungen Dip- lomaten von hohem Rang - der ganz offensichtlich sehr bewegt von seiner Rezeption das Gespräch suchte. Er sagte etwa folgendes: Ich habe in meinem bisherigen Berufsleben vie- les, einschließlich Ordensverleihun-

gen mitgemacht. Nichts von alledem ist dem heutigen Tag vergleichbar. Mir ist eigentlich erst im Augenblick meiner Rezeption mit dem Gelöbnis vor dem Altar Gottes voll bewußt geworden, was da mit mir geschah. Unser Gespräch führte zu mehreren Umwegen zum Hotel und wurde zur Grundlage einer innigen brüderlichen Freundschaft, in der wir uns immer wieder mit den Fundamenten unseres Ordens, das heißt den Ordensregeln, auseinandersetzten. Ich würde mir wünschen, daß eine so tiefe Bindung zum Orden sich bei allen Ordensbrüdern finden würde. Ich fürchte aber, daß so manch einem Ordensbruder unsere Ordensregel im Bewußtsein nicht so präsent ist. Wie auch? Wir beschäftigen uns in unseren Konventen zwar mit den inhaltlichen Aufgaben, setzten sie jedoch fast nie in Bezug zu unseren Ordensregeln. Warum berufen wir uns kaum auf unsere Ordensregel? Warum setzen wir uns kaum mit ihr auseinan- der? Sie ist Sinn und Zweck unserer brüderlichen Gemeinschaft. Sie ist doch das tragende Element unseres Gelöbnisses. Ordensregeln in der Moderne Wir beklagen es, daß der Grundwas- serspiegel unseres Christentums so weit abgesunken ist, daß er die Wur- zeln immer weniger gläubiger Chris- ten erreicht. Ist es eigentlich mit unse- rem Orden anders? Warum erreichen wir immer weniger Mitstreiter? War- um finden unsere in Amtsfunktionen berufenen Ordensbrüder nur mühsam Unterstützung bei der Durchführung ihrer Aufgaben? Fragen über Fragen, die bei einer ernsthaften Anerkennung und Wahrnehmung der Pflichten laut Ordensregel gar nicht erst entstehen dürften. Eine brüderliche Ordensgemein- schaft, deren Mitglieder ihr Leben im

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Ausgabe Dezember | 2019

O RDO M ILITIAE C RUCIS T EMPLI

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