Non Nobis Ausgabe 69

OBR. THOMAS SCHMÄDICKE

öffentlichen Kenntlichmachung ein überdimensioniertes Holzkreuz und Juden eine Glocke jeweils um den Hals tragen. Die Besitzungen aller Kirchen und Synagogen wurden eingezogen, und Muslimen wurde unter Strafe verboten, Geschäfte mit Christen und Juden zu machen. Christen wurde auch untersagt, ein Pferd zu besteigen, und es war Chris- ten verboten, ein Schwert oder eine sonstige Waffe zu führen. Unter dem islamischen Fatimidenkalifen war es Christen auch verboten, einen Turban und landesübliche Schuhe zu tragen. Christen wurde zudem befohlen, sich die Stirn zu scheren, und sie mussten äußerlich außerdem an einem be- sonderen Gürtel und an zwei gelben Stoffbändern an der Schulter zu erkennen sein. An Häusern, die von Christen bewohnt wurden, musste die hölzerne Darstellung eines Dämons angebracht werden, um Muslime vor dem Haus eines Christen zu warnen. Nach dem Jahr 1030 ließ Al Hakim eine Mauer um Jerusalem errichten. Das Baumaterial stammte teilweise aus abgerissenen christlichen Kirchen und Klöstern. Im Jahr 1074 plante Papst Gregor VII., sich aufgrund der beschriebenen Lebenssituation der Christen an die Spitze eines Feldzuges zu setzen, um Jerusalem von den muslimi- schen Eroberern und Christenverfol- gern für das christliche Abendland zurückzuerobern und so dem Leid der unterdrückten und verfolgten Christen ein Ende zu bereiten. Zu diesem Zeitpunkt kam aus christlicher Sicht erschwerend hinzu, dass die schiitischen Fatimiden im Jahr 1073 Jerusalem an die türkischen Seldschu- ken, die sunnitische Muslime waren, verloren hatten und es unter den Seldschuken zu weiteren Ausschrei- tungen gegen die christliche Bevöl- kerung gekommen war. Aufgrund des Investiturstreits konnte Papst Gregor VII. sein Ziel, die Befreiung der in Jerusalem unter Unterdrückung und Gräueltaten leidenden Christen, jedoch nicht in die Tat umsetzen. Erst Papst Urban II. war dies vergönnt. Am 27.11.1095 rief Papst Urban II. vor den Toren der französischen Stadt Clermont die anwesende Bevölkerung

zur Notwendigkeit der Befreiung der heiligen Stätten und der Beendigung des Leidens der Christen in Jerusalem und dem Osten auf. Diesem Aufruf lag auch ein Hilfegesuch des byzanti- nischen Kaiser Alexios I. Komnenos zugrunde, da Kaiser Alexios sein Reich immer stärker von den türki- schen Seldschuken bedroht sah. Diese hatten bereits im Jahr 1071 Anatolien und Antiochia erobert und stellten nun eine ernsthafte Gefahr für sein Reich und somit für das Christentum als Religion dar. Der Erste Kreuz- zug endete 1099 mit der Einnahme Jerusalems durch ein christliches Kreuzfahrerheer. Liebe Ordensbrüder, aufgrund der von mir in Kurzform chronologisch dargestellten Ereignisse in Jerusa- lem beziehungsweise im Heiligen Land mit Beginn der islamischen Expansion ab Mitte der 630er-Jahre komme ich zu dem Schluss, dass es sich bei den Kreuzzügen letztend- lich um legitime Rückeroberungen handelte, die in erster Linie auf die jahrhundertelange Unterdrückung, Diskriminierung und Verfolgung von Christen, ihrer christlichen Religion und der Zerstörung ihrer Gotteshäuser und Klöster in ihrer angestammten Heimat zurückzuführen waren. Chris- ten und Juden lebten bereits über 600 Jahre in Jerusalem beziehungsweise im Heiligen Land, als die islamische Expansion ihren Anfang nahm. Die Frage nach den Tätern und den Opfern in Bezug auf die Vorge- schichte und somit die Ursache für die Kreuzzüge ist für mich eindeutig geklärt. Ursache und Wirkung, Täter und Opfer dürfen nicht vertauscht werden und können von uns anhand von geschichtlich belegten Fakten selbstbewusst benannt und bekannt gemacht werden. So klären wir heutzutage als Angehörige unseres Tempelherren-Ordens auf und tragen insbesondere so auch zur Ehrenret- tung des historischen Tempelherren- Ordens anlässlich seines 900-jährigen Gründungsjubiläums im Jahr 2019 bei. Dies entspricht der Pflege und der Bewahrung der Traditionen des his- torischen Ordens und ist Teil unseres Selbstverständnisses als Tempelher- ren im Jahr 2019.

Bevölkerung erobert und Angehörige einer anderen Religion unterdrückt haben, sondern arabische Feldherren islamischen Glaubens haben ab Mitte der 630er-Jahre Eroberungskriege ge- führt und so unter anderem auch Pa- lästina und Jerusalem eingenommen und dort den neuen, ihren islamischen Glauben mit dem Schwert verbreitet. Die islamische Herrschaft über Jeru- salem unter teils wechselnder sunni- tischer oder schiitischer Glaubens- ausrichtung des Islams sollte bis ins 11. Jahrhundert andauern. Nachdem die Umayyaden im Jahr 750 von den Abbasiden gestürzt wurden, gab es auch weiterhin in Jerusalem Phasen, in denen gezielt Christen und Juden mehr als sonst üblich verfolgt und diskriminiert wurden. Ab dem Jahr 979 übten schließlich die schiitischen Fatimiden die Herrschaft über Jerusa- lem aus. In der Folge der Eroberung von Jerusalem durch die Schiiten kam es in der Stadt zu einem Blutbad, dem neben Christen und Juden auch sunni- tische Muslime zum Opfer fielen. In Jerusalem wurde auch die als christli- ches Heiligtum verehrte Grabeskirche gebrandschatzt, und zahlreiche christ- liche Kirchen und jüdische Synago- gen wurden beschädigt oder zerstört. Im Jahr 1009 wurde auf Befehl des muslimischen Fatimidenkalifen Al Hakim schließlich die Grabeskir- che, das Heiligtum der Christenheit, endgültig zerstört und dem Erdboden gleichgemacht. Gleichzeitig begann in Jerusalem unter der Herrschaft von Al Hakim ein jahrelanges Pogrom gegen Christen und Juden. Al Hakim ordnete zur Kennzeichnung und Demütigung der Christen und Juden besondere Kleidungsvorschriften an. So mussten Christen zu ihrer

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Ausgabe Dezember | 2019

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