Non Nobis Ausgabe 69
GENERALKAPITEL 2019
Ansprache zum Rezeptionsgottesdienst
Exzellenzen, verehrte Ehrengäste, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Ordensbrüder, vor allem aber lie- be Rezipienten, als Prior des Tempelherrenordens be- grüße auch ich Sie auf das Herzlichste zur Rezeptionsfeier hier im schönen Rendsburg. Hier, in der Mitte Schleswig-Holsteins, an der Verbindungslinie zwischen den beiden Landesteilen hält der bun- desweit tätige Tempelherren-Orden, deutsches Priorat sein diesjähriges Generalkapitel ab. Zwölf Jahre sind in- zwischen vergangen, seit wir das letzte Mal unsere jährliche Ordenstagung in Schleswig-Holstein abgehalten haben, seinerzeit 2007 nämlich in Ratzeburg. Unsere Ordensgemeinschaft hatte in der Vergangenheit die Tradition entwi- ckelt, ihre Jahrestagungen jeweils von den Komtureien ausrichten zu lassen, was dazu führt, dass wir Jahr um Jahr in einer anderen Stadt Deutschlands auftauchen, um die satzungsmäßige Vollversammlung abzuhalten und neue Ordensmitglieder in unsere Reihen aufzunehmen. 2019 also am Wohnsitz unseres hiesigen Komturs. Herzlichen Dank sagen wir der Pfar- rei Sankt Ansgar Rendsburg in deren Sankt Martin Kirche wir heute zu Gast sein dürfen. Die Kirche selbst ist noch jung, jünger als Ihr Festredner. Am 04. Juni 1967 wurde dieses archi- tektonisch hochinteressante Gebäude eingeweiht. Der Bau wirkt schlicht, erforderte aufgrund seiner besonde- ren Dachkonstruktion aber erhebliche schwierige Berechnungen. Die herun- tergezogenen Ecken der Kirche gehen bis auf 3 m über Null, während der höchste Dachpunkt 17 ½ m über dem Erdboden liegt. Das Gebäude zeigt nahezu gleichnis- haft, dass nicht alles was auf den ers- ten Blick schlicht aussieht, sich auch wirklich einfach verhält. Diese Wahrnehmung lässt sich wohl unschwer auf die derzeitige Situation
von Kirche und Welt übertragen. Vie- les was auf den ersten Blick zwingend einfach erscheint, erweist sich bei genauerem Hinsehen als wesentlich komplexer. Die meisten gesellschaft- lichen, wirtschaftlichen oder sozialen Probleme haben keine monokausale Ursache und sind demzufolge auch nicht mit einfachen Antworten zu lö- sen. Jeder Schritt auf die Bewältigung eines Problems hin wirft möglicher- weise neue Probleme auf. Ich versuche Ihnen dies an einem Beispiel aufzuzei- gen, einem Beispiel von Millionen, die man für komplexe Zusammenhänge nennen könnte: Derzeit spricht die ganzeWelt über eine vermeintlich menschengemachte Kli- makatastrophe. Als wesentliche Ursa- che hierfür soll nun das CO2 gefunden sein, wiewohl es in der Wissenschaft maßgebliche Stimmen dagegen gibt. Dennoch beginnt unsere Gesellschaft erfolgreiche Industriestrukturen zu zerlegen und stattdessen längst nicht erprobte Techniken mit der Brechstan- ge einzuführen. Der Schadstoffausstoß des Individualverkehrs mit PKW soll verschwinden, indem die Autoflotten elektrifiziert werden. Ob es dabei ge- lingt, die zur Bewegung notwendige Stromerzeugung ausschließlich auf er- neuerbare Energien zu verlagern, steht dahin. Das Problem der Entsorgung der schadstoffreichen Akkus nach Errei- chen von deren Nutzungsdauer bleibt bei der Ermittlung der Ökobilanz sol- cher Lösungsansätze völlig außen vor. Ein verantwortliches Vorgehen gegen- über den Menschen und der Schöpfung sähe sicherlich anders aus. Ein willkürliches Beispiel aus Tages- aktualität heraus. Wird die katholische Kirche, ein Erfolgsmodell das 2000 Jahre überdauert hat, durch die Einfüh- rung von Frauenpriestertum und die Abschaffung des Zölibates eine bes- sere sein, oder schafft sie sich selbst ab? Ist die evangelische Kirche besser geworden, indem sie sich seit einigen
Jahrzehnten intensiv politisiert, femi- nisiert und genderisiert hat, oder sollte sie besser zum ursprünglichen Verkün- dungsauftrag zurückkehren? Ist eine christliche Familienpolitik so- zialer, als eine entchristlichte Famili- enpolitik? Soll sich Politik an Einzelin- teressen, Gruppeninteressen oder dem Gemeinwohl orientieren? Welcher Schritt ist überhaupt welcher Katego- rie zuzuordnen? All solches beschäf- tigt uns in diesen Tagen und ein um das andere Mal kommen wir überein, dass die Lösung komplexer gesellschaft- licher nationaler und internationaler Probleme jedenfalls nur dann gelingen kann, wenn die handelnden Personen einen klar definierten Verantwortungs- maßstab verinnerlicht haben. Nur so gelingt es, in orientierungsloser Zeit zu einem Geleit, einer Orientierung, einer Ordnung, zu gelangen. Solche Verant- wortungslinien in der Verantwortung vor Gott und den historischen Leitli- nien unserer Ordensgemeinschaft zu entwickeln ist, noch heute die Aufgabe des OMCT. In diese Tradition treten heute wieder drei neue Rezipienten ein, die uns in unserer Arbeit unterstützen und für ih- ren Nächsten Dienst tuen wollen. Sie werden in wenigen Minuten durch den Rezeptor mit dem traditionellen Rezeptionsspruch zu Gottes und zu deiner Ehr, diesen Schlag und keinen mehr, sei tapfer, gläubig und gerecht, sei ein Ritter und kein Knecht zu gleichberechtigten Mitgliedern unserer Ordensgemeinschaft und zu Rechtsrittern geschlagen. Ich wünsche Ihnen ein gutes brüderli- ches Miteinander, neue Erkenntnisse, Motivationsgewinn für das Ganze so- wie den Segen und die Gnade unseres Herrn. Gott schütze Sie alle, Gott schütze unser Land und Gott schütze unseren Orden.
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Ausgabe Dezember | 2019
O RDO M ILITIAE C RUCIS T EMPLI
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