Non Nobis Ausgabe 69

OBR. HEINZ JÜRGEN RIECHERS

Aus dem Leben des Templer- Großmeisters Gerard de Ridefort (flämisch: Geraard van Ruddervoorde) Er war der jüngere Sohn eines Adligen, dessen Familie sich wohl nach dem flandri- schen Ort Ruddervoorde benannte. Wie viele Nachgeborene dieser Zeit sah er keine Möglichkeit, in Europa gesellschaftlich aufzusteigen und schloß sich daher 1146 dem Zweiten Kreuzzug an.

Danach blieb er in Palästina, wo er in den Dienst von Raimund III. von Tripolis trat. Als Raimund ihm 1173 die Ehe mit Lucia von Botrun, die ihm wertvolles Land in der Grafschaft Tripolis eingebracht hatte, versprach, sein Versprechen jedoch später brach, als ihm ein Kaufmann aus Pisa viel Geld dafür anbot, verließ Ridefort Raimunds Dienst und trat den Tem- pelrittern bei. Aufgrund des gebroche- nen Eheversprechens pflegte Ridefort die Feindschaft gegenüber Raimund sein Leben lang. Eine sehr verhäng- nisvolle persönliche Entscheidung. Im Jahr 1183 wurde er Seneschall und 1184 vertrat er dann den Groß- meister Arnold von Torroja, als dieser nach Italien reiste. Nachdem der Tod des Großmeisters in Jerusalem bekannt wurde, wählte man Gerard de Ridefort zu seinem Nachfolger. Aber er galt, im Gegensatz zu seinem Vorgänger im Großmeisteramt, als ungestüm und dementsprechend unbesonnen. Als Großmeister der Templer trägt Gerard de Ridefort die Verantwortung, daß erste Flecken auf dem weißen Habit der Templer zu sehen sind: Im Jahr 1187 beschlagnahmte Ridefort einen Teil des Geldes, das Heinrich II. von England den Tempel- rittern anvertraut hatte. Dieses Geld gehörte zur Strafe, die Heinrich für den Mord an Thomas Becket aufer- legt worden war, und sollte – für den

Fall, daß er ins Heilige Land reisen sollte – dazu dienen, nach seinen Vorgaben ausgegeben zu werden. Ri- defort hingegen nutzte es, um Söldner anzuwerben, mit denen er das König- reich Jerusalem gegen Saladin vertei- digen wollte. Am 1. Mai griff er dann mit weniger als hundert Tempelrittern in der Schlacht von Cresson das viel größere Heer Saladins an. Er selbst war einer der wenigen Überlebenden dieser fehlgeschlagenen Attacke. Be- reits nach dieser Niederlage gab man seiner Unbeherrschtheit die Schuld an dem verlorenen Kampf. Dies war aber nur ein kleiner Vorgeschmack auf das Unglück, das dem Orden und dem Königreich Jerusalem durch die Wahl de Rideforts zum Großmeister bevor- stand: die vernichtende Niederlage des großen christlichen Heeres gegen die Truppen Saladins bei Hattin, die den Beginn des Untergangs des Kö- nigreichs Jerusalem darstellte. Entgegen dem Rat von Raimund III. von Tripolis zog das Heer von Jerusa- lem nach Tiberias. Massiven Einfluß darauf hatte der Großmeister der Templer Gerard de Ridefort aus per- sönlicher Gegnerschaft zu Raimund III. genommen. Von Anfang an setz- ten die leichten, wendigen Reiter der Muslime den behäbig dahinziehenden Truppenteilen zu, indem sie sie mit Pfeilhageln eindeckten und das Wei- terkommen verlangsamten. Außerdem ließ Saladin sämtliche Sträucher in der Umgebung abbrennen, um die

Luft noch stickiger und trockener für die christlichen Kämpfer zu machen. Nach einer Nacht ohne Wasser auf offenem Feld wurde dem Heer von Saladins Truppen der Weitermarsch verstellt. In der Schlacht von Hattin wurde das vor Erschöpfung kaum kampfbereite Kreuzfahrerheer völlig aufgerieben, es überlebten lediglich 20 von 14.000 Mann. Die falsche Beratung Rideforts kostete die Temp- ler nicht nur eine Menge politisches und öffentliches Ansehen, Ridefort hat sich in den Augen der Öffentlich- keit und seiner Templer durch einen weiteren Fehler schuldig gemacht. Entgegen der Ordensregel hatte sich Ridefort Saladins Truppen ergeben und ließ sich gefangen nehmen. Dann tauschte er die Stadt Gaza gegen seine Freiheit, was einen weiteren Verstoß gegen die Ordensregel darstellte. Im Jahre 1189 versuchte er dann, im Kampf um Akkon verlorenes Ansehen wiederzuerlangen, aber vergeblich, er wird wieder gefangen genommen, aber diesmal direkt von Saladins Leuten hingerichtet.

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Ausgabe Dezember | 2019

O RDO M ILITIAE C RUCIS T EMPLI

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